Was ist eigentlich „real“?

Von imaginären Zahlen, Gedichten und dem Gehirn

von Christina Bolte

Hysterie, Konversionsstörung, psychogene Störung – Funktionelle neurologische Störungen spuken schon lange in der Medizingeschichte herum. Gerne werden sie in der medizinischen Fachwelt und Öffentlichkeit als „medizinisch unerklärbar“ eingeordnet, denn obwohl körperliche Symptome mit scheinbar neurologischer Ursache vorliegen, können diese nicht im Gehirn nachgewiesen werden. Die Schlussfolgerung: Im Gegensatz zu „echten“ neurologischen Störungen wie Parkinson oder Schlaganfällen müsse es sich hierbei also um irgendetwas anderes handeln. Aber was? Etwas „unechtes“? Was soll das überhaupt bedeuten? Woher kommt diese Annahme und welche Folgen hat sie? Und wie kann ihr entgegengewirkt werden?

Nach einer kurzen Einführung in das Krankheitsbild der funktionellen Störungen soll es primär darum gehen, wie körperliche Symptome, die scheinbar keine anatomische Basis haben, überhaupt entstehen können und wie etwas untersucht werden kann, das weder sicht- noch greifbar ist. Im zweiten Teil des Vortrags widme ich mich den gesundheitspolitischen und sozialen Implikationen, die daraus resultieren, wie wir Krankheit und Gesundheit denken: Warum wird etwas weniger ernst genommen, wenn es als „nicht erklärbar“ oder „nicht organisch“ gilt? Woher kommen solche Annahmen und welche Strukturen begünstigen sie? Wie können sie abgebaut werden?

Der Vortrag richtet sich an alle Interessierten – Vorwissen ist nicht nötig & Gesundheit und Krankheit gehen uns alle etwas an!